Der »Prager Frühling« war im Grunde der letzte wirkliche Versuch, das Gesellschaftssystem Sozialismus zu reformieren – und hatte damit Signalwirkung im so genannten »Ostblock«. Lichtgestalt der tschechischen Reformer war der im Januar 1968 zum Ersten Sekretär der KPC gewählte charismatische Alexander Dubcek.
Die DDR-Führung verstand schnell, zumal zwei der drei »sächsischen« Bezirke, nämlich Dresden und Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) in direkter Grenznähe gelegen waren, die Gefahr, die für das eigene System daraus entstand. Denn die gesellschaftlichen wie wirtschaftlichen Probleme waren in beiden Ländern ähnlich, zumal beide Länder als einzige industriell entwickelten Länder des Ostblocks galten, die den Weg des Aufbaus des Sozialismus gegangen waren – mit all den daraus resultierenden gesellschaftspolitischen und ökonomischen Verwerfungen.
Die CSSR war 1968 im Begriff, ein Alternativmodell zum herrschenden, stalinistisch geprägten Sozialismus zu werden. Auch daraus erklärt sich die hektische militärische Betriebsamkeit des Warschauer Paktes, der schließlich unter Führung der UdSSR und ihrer Armee den »Prager Frühling«, zynisch »Konterrevolution« genannt, mit Panzern niederwalzte.
Obwohl die DDR Aufmarschgebiet war und einige NVA-Verbände der Sowjetarmee unterstellte, verblieben ihre Truppenteile jedoch auf dem eigenen Staatsgebiet.
Beträge dieses aufschlussreichen Sammelbandes erhellen Ereignisse, die zum Ausbruch des »Prager Frühlings« führten, der die Sympathie der DDR-Bevölkerung fand, stellen Vergleiche mit der DDR-Situation an, benennen Handlungen der SED-Führung im Konflikt – auch gegenüber der eigenen Bevölkerung – und zeichnen die militärische Dimension eindrucksvoll nach.
Konstantin Hermann: Sachsen und der »Prager Frühling«. Ein Vorwort
Wolfgang Schwarz: DDR und ČSSR: eine verordnete Freundschaft?
Konstantin Hermann: »In der nächsten Zeit werden Sie vor dem Tribunal stehen«: Das »Tribunal der Fünf« in Dresden
Christiane Schmitt-Teichert: »Zweifel an der Überlegenheit des Sozialismus«. Sachsen und der »Prager Frühling« – ein Stimmungsbild
Rüdiger Wenzke: Sachsen als militärischer Aufmarsch- und Handlungsraum von NVA und Sowjetarmee im Sommer 1968
Claus Röck: Störer ohne Hörer: der Geheimsender »Radio Moldau«
Konstantin Hermann: Verbrannt wegen einer Zeitung: die Dresdner Zeitung »Zprávy« gegen den Prager Frühling